Bautzen, 5. November 2020 (geno). Die für die Transformation der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) der DDR massenhaft eingeleiteten Flurneuordnungsverfahren haben zur Enteignung der Landeigentümer und Genossenschaftsbauern geführt. Das stellt der Agrarrechtsexperte Dr. Dr. Winfried Schachten aus Bautzen in einem Gespräch mit der Redaktion GenoNachrichten am Donnerstagabend fest. Es habe allein im Freistaat Sachsen rund 8.000 solcher Verfahren gegeben, in denen den ursprünglichen Eigentümern ihre landwirtschaftlichen Flächen von den LPG-Nachfolgebetrieben weggenommen worden sind. Das sei systematische Rechtsbeugung, die nunmehr dreißig Jahre lang betrieben werde. Im Übrigen bedeute das eine schwere Verletzung des Paragraphen 1 des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes (LwAnpG), das zur Umwandlung der DDR-Landwirtschaftsgenossenschaften im Jahre 1990 in Kraft gesetzt wurde. Darin gehe es einerseits um den in Artikel 14 Grundgesetz verankerten Eigentumsschutz und andererseits um das uneingeschränkte Wiedereinsetzen der ursprünglichen Eigentümer in die Bewirtschaftung ihrer Agrarimmobilien. Der Paragraph lautet: „Privateigentum an Grund und Boden und die auf ihm beruhende Bewirtschaftung werden in der Land- und Forstwirtschaft in vollem Umfang wiederhergestellt und gewährleistet.“
Schachten erläutert besonders krasse Gesetzesverstöße beispielsweise im Landkreis Meißen. Dabei hätten sich insbesondere die zuständigen Kreisbehörden als geradezu korrupt und ohne jedes fachjuristisches Wissen erwiesen. Eine der Ursachen für diese rechtswissenschaftliche und rechtspraktische Ahnungslosigkeit sieht der Jurist Schachten in einer weitgehend einseitigen Ausbildung. Nicht nur Jurastudenten, sondern sogar weite Teile des Justiz-Personals auf fast allen Ebenen kennen nicht die fundamentale Gesetzessammlung „Schönfelder II“, so Schachten. Diese Sammlung mit Texten von Zivil-, Wirtschafts- und Justizgesetzen, die vor allem für die frühere DDR bedeutsam sind, erschien nach der deutschen Wiedervereinigung.
Auch von den Kompendien der Befehle und Anordnungen, die von der sowjetischen Besatzungsmacht sowie von den Marschällen der Sowjetunion, Georgi Konstantinowitsch Schukow und Wassili Danilowitsch Sokolowski, in dem von der UdSSR okkupierten Territorium Deutschlands erlassen worden sind, haben deutsche Juristen kaum oder gar keine Kenntnis. Gerade diese Dokumente haben jedoch für die Beurteilung der Rechtslage in Ostdeutschland außerordentliches Gewicht. ++ (lw/mgn/05.11.20 – 168)
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