Dessau/Weimar, 3. August 2020 (geno). Vor 90 Jahren wurde der Genossenschaftsenthusiast Hannes Meyer als Direktor des Bauhauses in Dessau entlassen. Daran erinnerte der Deutschlandfunk am Wochenende. Zitiert wird der seinerzeitige Vizepräsident der DDR-Bauakademie, Bernd Grönwald, der Meyer im Jahr 1989 zu dessen 100. Geburtstag mit einem Kolloquium ehrte. „Dieser Hannes Meyer aus der Genossenschaftsbewegung mit progressivem, sozial orientiertem Gedankengut kam aus dem Bauhaus, schloss sich der Arbeiterbewegung an, der Gewerkschaftsbewegung, eben war dann als ein ganz anderer Bauhausdirektor, weil er die sozialistische Entwicklung hin orientiertes Bauen beförderte.“
Zuvor war im Osten die Bauhausbewegung als Ausgeburt „bürgerlicher“ Ästhetik tabu. Im Westen hatte Bauhausbegründer Walter Gropius die Erinnerung an den ungeliebten Nachfolger regelrecht gestrichen. Fortan galt das Bauhaus als Geburtsstätte der Moderne mit Flachdach und Fensterbändern. Philipp Oswalt, bis 2014 Leiter der Stiftung Bauhaus Dessau, korrigierte diese Sichtweise: „Gerade auch Hannes Meyer hat genau diesen Formalismus dieser weißen Kuben, der großen Glasflächen sehr infrage gestellt. Und ich meine, diese Siedlung Dessau-Törten, da haben Sie dann von Hannes Meyer diese Laubenganghäuser als Ziegelbauten. Da denkt man: Also Bauhaus soll das jetzt hier sein ? Die sind eigentlich von ihrer Konzeption viel moderner als die Gropius’schen Reihenhäuser.“
In der denkmalgeschützten Architektur mit funktional durchdachten Grundrissen hat sich erhalten was der Schweizer Meyer als Bauhaus-Direktor zum Programm erhob: „Volksbedarf statt Luxusbedarf“. Direktor Meyer führte wissenschaftlich fundierten Unterricht ein, systematische Systemanalyse, zweckmäßige Konstruktion und rationalisierte Produktion.
Auf Meyers konsequente Reform reagiert Gropius mit Intrigen. Er betreibt seine Entlassung unter den Bauhaus-Meistern, aber auch beim Dessauer Bürgermeister – hinter vorgehaltener Hand. Ganz direkt attackieren ein „Kampfbund für Deutsche Kultur“ und der in Thüringen als Bildungsminister amtierende Nationalsozialist Wilhelm Frick das Bauhaus als Hort des „Kunstbolschewismus“ und fordern die sofortige Schließung. Der Nachfolger, Ludwig Mies van der Rohe, stellte anschließend die innere Disziplin wieder her – mit Hilfe der Polizei. Nachdem der Bauhaus-Direktor ganz privat streikende Bergarbeiter unterstützt hatte, wird Meyer am 1. August 1930 entlassen. So endet die Geschichte des Bauhausdirektors Hannes Meyer vor neun Jahrzehnten in der Version von Walter Gropius. ++ (bh/mgn/03.08.20 – 118)
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