Berlin, 3. Juni 2020 (geno). Die Gerichtsinstanzen haben erhebliche Schwierigkeiten, die genossenschaftlichen Besonderheiten zu erfassen. Das stellt Prof. Jürgen Keßler von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin fest.
Beispielhaft nennt der Genossenschaftsrechtsexperte Entscheidungen der Amtsgerichte Kiel und Saarbrücken. So habe das Gericht in der saarländischen Landeshauptstadt weder die körperschaftliche Natur der genossenschaftlichen Geschäftsanteile erkannt noch deren gesellschaftlichen Eigenkapitalcharakter in einem Urteil vom 24. Juli 2007 berücksichtigt.
Die fundamentalen Wissensdefizite oder gar die bewusste Ignoranz der gegebenen genossenschaftsrechtlichen Besonderheiten durch deutsche Juristen wurden von den GenoNachrichten wiederholt angesprochen. Auf allen juristischen Ebenen wird die Genossenschaftsbewegung in verantwortungsloser Weise aufs Abstellgleis gestellt. Das ist inzwischen ein sich über Jahrzehnte hinweg vollziehender, offenbar gewollter Prozess.
Dass diese Fehlentwicklung auch vor den Landgerichten nicht halt macht, beweisen jüngste Entscheidungen des Landgerichts Dresden und des Landgerichts Gera. Letzteres hat sogar in einem Beschluss, die Löschung einer mehr als 150 Jahre alten Konsumgenossenschaft angeordnet, obwohl sich die Kooperative zu keinem Zeitpunkt irgendeines Gesetzesverstoßes schuldig gemacht hat. Es wird immer dringlicher, das Genossenschaftsrecht und seine Grundsätze nicht nur ins Bewusstsein der Bürger, sondern auch der Exekutive zu rücken. Das erfordert das Rechtsstaatsprinzip der freiheitlich demokratischen Grundordnung, zumal der demokratische Grundansatz von Genossenschaften in der Dreieinigkeit von Selbstverwaltung, Selbsthilfe und Selbstverantwortung geradezu in sich verkörpert wird. Dieses unbeachtet zu lassen, gefährdet einen demokratischen Rechtsstaat gravierend. Um dem nachhaltig entgegenzuwirken, setzt sich die Interessengemeinschaft der Genossenschaftsmitglieder igenos e.V. auch für die Einführung des Fachanwalts für das Kooperationswesen ein.
. ++ (gr/mgn/04.05.20 – 085)
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1 Kommentar.
[…] Ähnliche Diskussionen um die Mitgliederrechte gab es im Zusammenhang mit einer nicht zugelassenen Mitgliederbefragung in Dresden wo bei Urteilsfindung das Genossenschaftsgesetz komplett abgekoppelt, sprich missachtet wurde. […]