Hamburg, 7. Februar 2020 (geno). Zwei lange Zeit getrennte Welten können wieder zusammenwachsen: Soziale Innovationen und Genossenschaften prägen die Kollaborative Ökonomie. Diese Auffassung vertreten Arno Marx und Markus Stegfellner in einem Beitrag des „Enorm-Magazins“. Dieser Verschmelzungsprozess werde flankiert von zwei Entstehungsgeschichten. Eine habe am 11. November 2016 mit dem Summit „Future for All – The Power of Social Inclusion“ in Berlin begonnen und zum heutigen WeQ Institute geführt. Dem liege eine Grundsatzerklärung von Franz Alt und Peter Spiegel zugrunde, nach der „aus der faszinierenden Welt sozialer Innovationen eine neue gesellschaftliche Leitidee erwächst“. Der Auftakt der zweiten Entstehungsgeschichte sei in der am 24. Januar 2017 veröffentlichten Westerwälder Erklärung der Genossenschaftsverbände unter der Überschrift „Mehr Raiffeisen wagen“ zu sehen, derzufolge „Genossenschaften Deutschlands wichtigste Wirtschaftskraft“ sind.
Die beiden Autoren verweisen auf weitere Trends, nach denen eine Fusion beider Welten förmlich in der Luft liegt. „Megatrend WeQ: Schon seit fast 200 Jahren ermöglicht die soziale Innovation der Genossenschaften weltweit mehr als einer halben Milliarde Menschen mehr Selbsthilfe und Teilhabe. Derzeit entsteht eine neue Generation von ‚Genossenschaften 2.0′“ Der Zukunftsforscher Jeremy Rifkin erwarte, dass im Jahr 2050 bereits mehr als die Hälfte der Weltwirtschaft genossenschaftlich organisiert sein wird. Das geschehe in sogenannten „WeComs“ -also WeCommunitys- , die kollaborativ denken und wirken sowie sich am Gemeinwohl orientieren.
Der internationalen Studie „Global Research on Augmented Collaborative Economy 2016 (GRACE16) zufolge glauben 86 Prozent der Genossenschaftsmitglieder und 89 Prozent der Kunden von Genossenschaften, dass Aufbau und Gestaltung einer „kollaborativen Ökonomie“ das nächste Evolutionsstadium von Genossenschaften sein werden. Blockchain & Co und die Plattform Ökonomie sind dem Beitrag zufolge nicht nur technologische Innovationen, sondern sie können auch als soziale Innovation als Wegweiser in eine dezentralisierte Welt verstanden werden. Ein „Geno-Wequbator“ soll regionale Genossenschaftsinnovationen initiieren.
„Größer gedacht hat der „Geno-Wequbator“ durchaus die Möglichkeit, die 30 Millionen Genossenschaftsmitglieder in Deutschland, Österreich und in der Schweiz in neuer Form einzuladen und so eine Teilhabe an der Entwicklung von Projekten und Gründungen zur Verbesserung der regionalen Lebensqualität zu ermöglichen. Gerade Genossenschaftsbanken stehen vor der Herausforderung, ein nachhaltiges Geschäftsmodell für eine Kollaborative Ökonomie zu entwickeln“, prognostizieren Marx und Stegfellner. ++ (en/mgn/07.02.20 – 021)
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Unser Kommentar: Genossenschaft sind jedoch nicht gleich Genossenschaft. Anfang 2020 sind mindestens 12% der Weltbevölkerung Mitglied einer Kooperative. Mindestens 10% aller Arbeitsplätze werden weltweit von Kooperativen angeboten oder abgesichert. Die Im ICA (International Co-operative Association) angeschlossenen Genossenschaften haben sich einem Cooperative Governance Codex unterworfen. Mitbestimmung, Teilhabe und Transparenz stehen im Mittelpunkt. Deutschland und Österreich sind dagegen echte Entwicklungsländer. Die festzustellenden Fehlentwicklungen sind historisch bedingt. Der Weg aus der Sackgasse führt direkt nach Brüssel. Es fehlt ein einheitliches europäisches Genossenschaftsgesetz, Transparenz und eine effektive, schlanke Selbstverwaltung. Mit anderen Worten aus der derzeit vorherrschenden „top down“ Führerkult muß endlich eine „bottom up“ Kultur werden. Genossenschaft funktioniert von unten, igenos und der MMW-CoopGo Bundesverband unterstützen die in Deutschland dringend notwendige Transformation von der „ genossenschaftlichen Selbstverwaltungsorganisation“ zur „organisierten genossenschaftlichen Selbstverwaltung“ . Dieser Vorgang wird in Deutschland spätestens 2030 abgeschlossen sein, so ein Sprecher der neuen CoopGo Bewegung.
1 Kommentar.
Wer annimmt, dass die menschliche Entwicklung zu „intellektualisieren“ wäre, könnte sich täuschen. Es lohnt sich, mit Menschen in Kontakt zu sein, die zu Beginn dieses Jahrtausends geboren wurden. Sie haben gerade die Hochschulen erreicht, sofern sie darauf wirklich Wert legen. Sie verfügen über gänzlich anderes Wissen; es lohnt sich, diese Entwicklungen einzubeziehen. Diese Menschen „schmunzeln“ lediglich über die bisher so hoch eingeschätzten „Wissenschaften“. … Deshalb halte ich es für „kühn“, von einem „Zeitfenster“ von (weiteren) 30 Jahren zu sprechen. Erkennbar ist deutlich der Trend, dass diese Menschen nicht mehr für – wie auch immer geartete „Kunst-Spiele“ – zur Verfügung stehen werden, (insgeheim) doch die eine Kultur des „Gegeneinanders“ abbilden wollen. Auch wenn es keine „Gurus“ für „Perspektiven“ gäbe, der Weg zur Kooperation, ist diesen jungen Menschen sozusagen „DNA-gestützt“ vorgegeben. Prof. Bauer kommt mit seinem Buch „Das kooperative Gen“ dem schon recht nahe. Wir sollten das TUN, was diese Menschen jetzt von uns erwarten: Die überholten und teilweise „antiquierten“ Vorstellungen zum Thema „Genossenschaft“ gründlich anzupassen. Sonst passiert das, was eigentlich keiner mag: Die Menschen suchen „Gemeinschaften“ (Werte) und bekommen lediglich langweilige „Genossenschaften“ (Strukturen) angeboten. Das wird mit der jungen Generation nicht gut funktionieren. …
Frage Politiker, Verbandsfunktionäre oder die meisten „realexistierenden“ Genossenschaften danach, was „wahre Gemeinschaft“ ausmacht – dann ahnt man, wie darauf die nächsten Generationen reagieren werden. ….
Ja, sie wollen „kooperieren“ – unbedingt, aber nicht unbedingt so, wie das bisher „Verbände, Prüfungsverbände, Parteien, Politiker …“ sehen. Für diese Menschen sind „Selbstorganisation“, „Selbstverantwortung“, „Selbstbewusstsein“ keine „leeren Tüten“. Und derzeit ist nicht zu erkennen, dass wir mehr zu bieten haben, wie eine „Staatskontrolle“, für deren Umsetzung „anpassungsfähige“ Verbände „stramm“ zur Verfügung stehen.
Die Frage ist angebracht, ob es nicht längst einer innovativeren Struktur, wie der von „Genossenschaft“ bedarf? Nennen wir sie – was bereits sogar schon diskutiert wurde – vielleicht „Kooperations-Gesellschaft“. Kleine Einheiten mit wenig Bürokratie, ohne „Pflichtmitgliedschaften …. und wer dann unbedingt „wachsen“ will, der wird dann eben eine „Genossenschaft“ oder auch nicht …
Mal ehrlich, könnte die neue Generation nicht recht schnell erkennen, dass „IHRE“ Verbände eigentlich wenig zu dem beitragen (können), was solche „Kooperations-Gesellschaften“ wirklich brauchen: Die Fähigkeit, Kooperation – nach innen und außen – latent zu optimieren. Denn: Bei Kooperation geht es – zuförderst, zu mittelst, zum Schluss – immer um (faszinierte) Menschen, also die „Energie hinter den Zahlen“. Verbände die dafür nichts zu bieten haben, können einfach keinen wirklichen Mehrwert bieten. Also müssen sich auch die Verbände änder? Je früher, je intensiver, umso besser …