SMAD-Befehl machte ostdeutschen Genossenschaft den Weg frei

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Berlin, 18. Dezember 2019 (geno). Vor genau 74 Jahren erließ die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) für ihre Besatzungszone den Befehl Nummer 176 vom 18. Dezember 1945. Damit wurden in Ostdeutschland die Konsumgenossenschaften wieder in vollem Umfang hergestellt. Ehemaligen NSDAP-Mitglieder war es von den Sowjets verboten worden, sich in Konsumgenossenschaften zu betätigen. In der Nazi-Zeit waren die Konsumgenossenschaften und ihre Verkaufsstellen gleichgesetzt mit den in jüdischer Hand befindlichen Warenhäusern. Sie wurden enteignet und ihr Eigentum der Deutschen Arbeitsfront zugeordnet. So belegt ein Behördenbescheid vom 23. Oktober 1942, dass das Vermögen des früheren Konsum-Vereins Althaldensleben an das NS-Gemeinschaftswerk der Deutschen Arbeitsfront in Hamburg übertragen wird.

Wie der Genossenschaftsforscher Jan Bösche feststellt, bestand der Befehlsentwurf der sowjetischen Besatzungsmacht aus 56 Pragraphen und entsprach vollkommen den Anforderungen des deutschen Genossenschaftsrechts von 1889. Binnen eines halben Jahres wurden bis Sommer 1946 mehr als 200 weitere Konsumgenossenschaften gegründet. Zudem entstanden Landesverbände, die einen eigenen genossenschaftlichen Großhandel, eigene Produktionsbetriebe und eigene Revisionsabteilungen aufbauten. Noch vor der Staatsgründung der DDR hatten die Konsumgenossenschaften der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) auf ihrem ersten Genossenschaftstag die Bildung des Verbandes Deutscher Konsumgenossenschaften (VDK) beschlossen. In der Folgezeit hatten die DDR-Behörden im Umgang mit dem SMAD-Befehl gehörige Schwierigkeiten, stellten ihn jedoch nie in Frage und tasteten die genossenschaftliche Autonomie zu keinem Zeitpunkt an. So entschied das Oberste Gericht der DDR in einem Beschluss von September 1960 zwar, das alte Genossenschaftsrecht sei ungültig. Damit avancierte das in dem SMAD-Befehl vom Dezember 1945 enthaltene Musterstatut als einzige Rechtsquelle. Der richterliche Beschluss garantierte dem VDK zudem bis zum Ende der DDR die Satzungsautonomie. Letztlich wurden die Konsumgenossenschaften in der DDR – so wurde jedes dritte Brot 1989 in einer Konsum-Bäckerei gebacken – mit ihren rund 4,6 Millionen Mitgliedern als drittgrößte Massenorganisation eingestuft. Dass sie die Wendejahre 1989/90 vielfach nicht überlebten, lastet Bösche der Aufgabe des genossenschaftlichen Großhandels in Ostdeutschland an. ++ (kg/mgn/18.12.19 – 219)

www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27

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