Berlin, 26. November 2019 (geno). Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) befindet sich in einem generellen Zwiespalt mit der Genossenschaftsbewegung. Das ist keine besondere Neuigkeit, denn die Geschichte belegt diese Halbherzigkeit über viele Jahrzehnte hinweg. Auch in der jüngeren Vergangenheit sind die Äußerungen und Entscheidungen prominenter und weniger prominenter SPD-Repräsentanten in Sachen Genossenschaften nur Lippenbekenntnisse geblieben.

Der vor knapp zwei Jahren zum SPD-Genossenschaftsbeauftragten ernannte Klaus Mindrup drückt es mit besonderer Ambivalenz aus: „Ich habe erlebt, wozu Genossenschaften in der Lage sind – wenn man sie lässt. Das Modell Genossenschaften ist ein Modell für die Zukunft. Egal ob genossenschaftliche Entwicklung von Gewerberäumen oder Energiegenossenschaften, überall schließen sich Menschen zusammen. Dabei müssen wir sie unterstützen.“ Genossenschaften seien demokratische Unternehmensformen. Wohnungsbaugenossenschaften bräuchten vor allem Grundstücke zu Preisen, die sozialverträgliche Mieten ermöglichen. Weiterhin seien verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen, Nachrangfinanzierungen und die Förderung von Genossenschaftsanteilen als wichtigen Beitrag zur Eigentumsbildung. Die SPD wolle Genossenschaften weiter fördern.

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider behauptete im Frühjahr dieses Jahres gegenüber der „Neuen Passauer Presse“ sogar, dass die „SPD die Partei der Genossenschaften“ ist. Genossenschaften seien wichtige Akteure auf dem Wohnungsmarkt und hätten eine lange Tradition, Menschen mit guten und bezahlbaren Wohnungen zu versorgen.
Sie schwächten Verwerfungen des Immobilienmarktes ab, ohne dass der Staat selbst aktiv wird. Anscheinend wurde aber vergessen, dass mit dem Abbau der steuerlichen Sonderregelungen 1990 die Wettbwerbsvorteile gegenüber den nicht steuerlich begünstigten Wohnungsunternehmen beseitigt wurden. Somit hat der Staat durch die Aufhebung der Wohnungsgemeinnützigkeits-Gesetze den heute heiß diskutierten Mietpreiskessel selbst angeheizt. Auch im SPD geführten Berlin hat es sich noch nicht rumgesprochen das Miete und Nutzungsgebühr zwei paar Schuhe sind, die nicht zueinander passen. Ein ähnliches Bild vermitteln die zahlreichen Regionalkonferenzen der SPD, die zur Wahl einer neuen Parteiführung in wenigen Tagen führen soll. Wenn die SPD die Genossenschaften wirklich fördern will, muss die Partei erst einmal verstehen wie eine Genossenschaft funktioniert und sich bitte auch mit dem genossenschaftlichen Identitätsprinzip befassen.
Genossenschaften sind keine am Gemeinwohl orientierten Unternehmen und auch keine sozialistischen Experimente, sondern Gemeinschaftsunternehmen, die sich im Eigentum der Mitglieder befinden, deren Mitglieder dann am wirtschaftlichen Erfolg ihrer Genossenschaft direkt profitieren.
++ (pl/mgn/26.11.19 – 203)

www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27

Kommentar: Der Kandidat um den Parteivorsitz Olaf Scholz kennt sich in Sachen Genossenschaften aus. Er war Hausjurist im Hamburger Genossenschaftsverband ZdK. Folglich wird sich Olf Scholz auch schon einmal mit dem Mitgliedszwang und der Pflichtprüfung auseinandergesetzt haben. Denn auf dieser Rechtsgrundlage erwirtschaften die Verbände ihr Erträge. In einer wettbewerbsfreien Zone, einer komfortablen Nische, die sogar die anhaltende neoliberale Privatisierungspolitik gestärkt überstanden hat.
Ist es nicht für die SPD an der Zeit unsere genossenschaftliches Verbandssystem einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Der Führungstil der Genossenschaftsverbände passt nicht mehr in unsere Zeit. Weltweit werden die Genossenschaften, als Gemeinschaftseigentum, von unten, von ihren Mitgliedern gesteuert. Nur in Deutschland und Österreich werden die Genossenschaften von oben, durch die Genossenschaftsverbände geführt.

Genossenschaften stehen für Eigenverantwortung. Unsere Genossenschaften verdienen ganz bestimmt eine zweite Chance. Die SPD vielleicht auch.
igenos e.V. Interessenvertretung der Genossenschaftsmitglieder

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1 Kommentar.

  • Zu den vielen kleineren und größeren Problemen der SPD gehört die ausgeprägte
    Nähe zur Gewerkschaftsbewegung. In funktionierenden Genossenschaften werden keine Gewerkschaften benötigt. Gewerkschaften leben von der Konfrontation. Genossenschaften sollten dagegen Kooperation leben.

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