Hamburg, 18. November 2019 (geno). Über die ungeheure Zukunftsträchtigkeit kooperativen Wirtschaftens äußern sich Thomas Baumgärtler von der Hochschule für Technik Offenburg und Tobias Popovic von der Hochschule für Technik Stuttgart in der jüngsten Ausgabe des in Hamburg herausgegebenen Magazins „Enorm“. Kooperatives Wirtschaften hat Zukunft.

Die langjährige Geschichte der Genossenschaftsbewegung unterstreiche die Kraft von Kooperativen für den gesellschaftlichen Wandel. Bereits lange vor der Epoche der Industrialisierung hätten Genossenschaften gravierende Entwicklungsimpulse ausgelöst.
Nach den Worten von Baumgärtler war seinerzeit die Gründung der ländlichen Genossenschaften weniger eine Reaktion auf den Kapitalismus als vielmehr eine Strategie, um etwas gegen die Verarmung weiter Bevölkerungsteile auf dem Lande zu tun. „Für Bauern war es damals fast ausgeschlossen, Kredite aufzunehmen, um sich etwas Saatgut oder Geräte zu kaufen. Der Wucher blühte, Kreditverleiher verlangten astronomische Zinsen. Wer konnte sich das schon leisten und den Bauern die Möglichkeit geben, aus eigener Kraft ihre wirtschaftliche Lage verbessern.“ Für Friedrich Wilhelm Raiffeisen sei das eine Frage der Nächstenliebe gewesen, die logische Folge seines christlichen Menschenbildes. Schon früh habe er erkannt, dass Hilfe zu Selbsthilfe ein guter Hebel ist, um die ökonomische Situation der Bevölkerung zu verbessern.

Popovic ergänzt: „Zudem hatte sich die Lage der Bevölkerung durch den gewaltigen Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien zugespitzt, der in Mitteleuropa zu sinkenden Temperaturen und höheren Niederschlägen führte – mit gravierenden Folgen für die Landwirtschaft. Vor allem in Süddeutschland verarmte die Bevölkerung. In den Städten schritt zuvor die Industrialisierung voran, sich in den kapitalistischen Fabriken zu behaupten.“ Nach seiner Ansicht fängt es beim Menschenbild an. Der Mensch sei eben nicht nur „homo oeconomicus“, sondern auch „homo cooperativus“. Auf Kooperation setzten Genossenschaften, auf die Stärke vieler, die etwas gemeinsam voranbringen. Der Mensch sei auf Kooperation angewiesen – in der Familie, im Beruf, in der Wirtschaft. Denn nur so könne er Teil einer Gruppe bleiben. Zudem brächten Genossenschaften die Interessen vieler Ansprechgruppen zusammen. Die Ökonomie spreche von „Plattformkompetenz“. Es werde ein Hub, ein Knoten oder ein Netzwerk gebildet, das sich so immer neu zu konfigurieren versteht. Und schließlich seien viele Genossenschaften ungeheuer wendig. Sie könnten sich dynamisch auf immer neue Anforderungen einstellen und sich durch Innovation schnell an wandelnde Verhältnisse anpassen. So habe die Finanzkrise 2008 bewiesen, dass beispielsweise Genossenschaftsbanken europaweit keine Staatshilfe benötigten, während die Sparkassen in die Bredouille kamen.

Baumgärtler hält es für den Erfolg von Genossenschaften als entscheidend, dass Kunden und Eigentümer – die Mitglieder – identisch sind. Das Management habe doppelten Druck, weil es beiden Interessen dienen muss. ++ (ug/mgn/18.11.19 – 199)

www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27