Berlin, 3. Oktober 2019 (geno). Der „Tag der Deutschen Einheit“ im Jahr 1990 besiegelte das Schicksal für die ostdeutsche Genossenschaftsbewegung. Der Dritte Weg – die Alternative zwischen dem real existierenden Sozialismus/Staatskapitalismus und dem neoliberalen Kapitalismus wurde systematisch platt gemacht.
Die Friedliche Revolution vor 30 Jahren in der DDR hatte das Tor für starke Genossenschaften in fast allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen weit aufgestoßen.
Die ostdeutsche Genossenschaftsbewegung, das Herz der Ostdeutschen Wirtschaft, wurde von außen energisch, fast systematisch zerlegt. Hauptakteure dabei waren die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl und die letzte DDR-Regierung mit Lothar de Maiziere an der Spitze.
Ihre maßgeblichen Handlanger waren der damalige Finanzstaatssekretär Horst Köhler und der seinerzeit maßgebliche Treuhand-Manager Thilo Sarrazin Letzterer, ein SPD Genosse, machte aus seinem Herzen keine Mördergrube und bekannte offen: Es musste verhindert werden, dass die DDR einen eigenständigen „dritten Weg“ – zwischen Kapitalismus und Sozialismus – geht. Als Wegbereiter der sogenannten Wirtschafts- und Währungsunion sorgten sie in kürzester Zeit dafür. Kooperative Vereinigungen waren dabei nicht einmal ein Thema. Der Einigungsvertrag spiegelt das eindeutig wider. Teilweise fehlentwickelte und ferngesteuerte DDR-Genossenschaften sind den entscheidenden Dokumenten keinerlei Erwähnung wert. Die noch von der DDR-Vorgängerregierung unter Hans Modrow und DDR-Bürgerrechtlern vorgelegten Beschlüsse und Entscheidungen blieben völlig unberücksichtigt. Dazu zählten auch die vom Minister ohne Geschäftsbereich Wolfgang Ullmann erarbeiteten Konzepte, denen Untersuchungen eines Freien Forscherkollektivs der Akademie der Wissenschaften zugrunde gelegen haben. Inzwischen besteht dazu erhöhter Aufklärungs- und Korrekturbedarf.
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Ein Kommentar der Redaktion: Ein Beleg, dass der Dritte Weg funktioniert, liefert die baskische MONDRAGON Cooperative, ein führender, genossenschaftlich organisierter Mischkonzern, der knapp 12 Milliarden € Umsatz erwirtschaftet, aus 266 selbständigen Unternehmen besteht und mehr als 80.000 Beschäftigte hat. Die, in der MONDRAGON Cooperative vorgelebte, genossenschaftliche Selbstverwaltung ist demokratisch organisiert und transparent. MONDRAGON gilt als weltweites Vorbild für Arbeitszufriedenheit, Lebensqualität, Innovationskraft und Vergütungssolidarität. Gewerkschaften sind unbekannt. Die Betriebsräte können aber jederzeit das Management austauschen. Das vorgelebte Konzept vom genossenschaftlichen Gemeinschaftseigentum und der genossenschaftlichen Mitbestimung führt zu einem niedrigen Krankenstand und hoher Produktivität. Krankheitssymptome wie „burn out“ oder „bore out“ sind weitgehend unbekannt. Die OECD betätigt den Genossen sogar eine längere Lebenserwartung.
Nach dem Niedergang der sozialistischen Staatswirtschaft wurden die Karten neu verteilt. Warum haben die ehemaligen volkseigenen Betriebe (VEB) keine ähnlich positive Entwicklung erleben dürfen? Sie hatten keine Chance. Die Bundesregierung Kohl III hatte jedoch kein Interesse die VEB Mitglieder an ihrem Betriebsvermögen zu beteiligen. Der „Dritte Weg“ hat in der „neoliberalen Weltwirtschaftsordnungen“ keinen Platz.
30 Jahre später stehen wir erneut vor einem Scherbenhaufen. Inzwischen ist auch der neoliberale Großversuch gescheitert. Die Negativzinsen sprechen für sich. Aber auch die von der CDU Koalition politisch gewollten Privatisierungen zeigen erste Nebenwirkungen. Der Verkauf der kommunalen Wohnungsgesellschaften (Sozialwohnungen), führte zu einer Mietpreisexplosion in den Ballungszentren.
Die neoliberale Privatisierungspolitik führte ganz nebenbei auch zum Untergang der Volkspartei SPD. Unser Rentenniveau liegt deutlich hinter dem Durchschnitt der OECD Staaten. Privat organisierte Suppenküchen sind kein Konzept gegen Kinder- und Altersarmut, sondern ein Beleg für Ignoranz und Inkompetenz. Die versprochenen blühenden Landschaften sind, Dank einer verfehlten Familien- und Sozialpolitik, menschenleer- also weitgehend C02 neutral. Herzlichen Glückwunsch für die vorausschauende Planung!
Als Ablenkung streiten wir über die Feinstaubbelastung der Dieselmotoren, obwohl Dieselmotoren auch mit meinem Öl-Wassergemisch fahren. Eine Energiewende, die dezentrale Energieversorgung benachteiligt
nur um den Interessen der Energiekonzerne nicht zu schaden, ist unglaubwürdig.
Unser Wirtschaftssystem muss dringend und vor allem komplett renoviert werden. Die Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt sind ein letztes Warnsignal. Die heute noch vorherrschende Wirtschaftstheorie von Adam Smith stammt aus dem Jahre 1776 und ist überholt. „Die neoliberale Politik der unsichtbaren Hand“ hat die Kapitalakkulumation und Ungleichverteilung begünstigt. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft, die Arbeitsplätze ausgelagert, die Umwelt zerstört und aus Profitinteresse die Menschenrechte missachtet.
Es ist darum an der Zeit über den einen „Kooperativen Wirtschaftswandel“ nachzudenken und proaktiv auf die sich verändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen reagieren?“
Der gesellschaftliche Umstieg von der Ich-Gesellschaft zur Wir-Gesellschaft ist ein weltweiter Megatrend.“ Diese Entwicklung hat bereits begonnen und ist nicht mehr aufzuhalten. Darum sollten wir handeln und uns nicht bis zum nächsten Börsencrash hinhalten lassen!
++++update++++ Der nachstehende Kommentar des MMW CoopGo Bundesverband geht noch weiter und hinterfragt die Rolle der Genossenschaftsverbände in der „Wendezeit“. Gleichzeitig setzt sich der neue Spitzenverband für eine Kooperationsgesellschaft ein.
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2 Kommentare.
[…] anderem die MONDRAGON Gruppe oder die Ocean Spray Cooperation. Es stellt sich auch die Frage ob der Ausverkauf des DDR-Volksvermögens, heute 30 Jahre nach dem Mauerfall, eine neue kritische Bewertung […]
Wie genau dieser Einfluss wirklich war und welche Folgerungen daraus – vielleicht sogar für Gegenwart und Zukunft – zu ziehen wären, sollte nunmehr solide, überparteilich und auch verbandsübergreifend geklärt werden. Dabei muss auch die Frage beantwortet werden, welche rolle das westdeutsche Genossenschaftswesen dabei spielen durfte. Waren die westdeutschen Verbände überhaupt involviert, weil man sich davon „unerwünschte“ Ratschläge erwartete, oder waren sie einbezogen – und wenn ja – wie waren die Inhalte, wie die Wirkungen? Solche Forschungen haben nicht nur historische Bezüge, sie bringen auch Hinweise für einen kooperativen Wandel der Zukunft. Um das alles wirklich neutral zu halten, sollte man auch Forschungsinstitute anderer EU-Länder einbeziehen, denn auch dort ist man sehr an solchen Erkenntnissen interessiert. Der MMWCoopGo Bundesverband (erst weit nach der „Vereinigung“ entstandener genossenschaftlicher Spitzenverband) würde es sehr gegrüssen, wenn solche Forschung jetzt begänne – etwas spät, aber nicht zu spät) Eigentlich spräche alles dafür, wenn auch die weiteren, größeren und erfahreneren genossenschaftlichen Spitzenverbände (DGRV und GdW) sich dieser Forderung anschließen würden und das zu einer parteiübergreifenden Initiative würde. Den Menschen in Ostdeutschland ist es jetzt wichtig, die Wahrheit zu kennen, auch wenn sie nicht jedem ins „BILD“ passt …
Gerd K. Schaumann, Vorstand im MMWCoopGo Bundesverband der Cooperations- und Genossenschaftswirtschaft e.V.