Münster/Bonn, 19. September 2019 (geno). Die Leitlinien zur Vereinbarkeit zwischen genossenschaftlicher Ökonomie und Kartellrecht sind immer wieder ein Thema. Die größte Stärke von Genossenschaften entsteht durch das Vermeiden ihrer Diskriminierung, auch durch das Kartellrecht. Insofern sind die kartellrechtlichen Konsequenzen des hybriden Charakters genossenschaftlicher Kooperationen konsequent zu klären. Das schreibt. Prof. Theresia Theuerl von der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster in dem ordnungspolitischen Journal „Wirtschaftliche Freiheit“. Beides ermögliche Rechtssicherheit für die kooperierenden Unternehmen und den damit verbundenen Beitrag zu einem wettbewerbsfähigen Mittelstand. Um dies zu erreichen, sei eine Klärung des Verhältnisses von Kartellrecht und genossenschaftlicher Ökonomie dringend geboten.
Die prominente Genossenschaftswissenschaftlerin nennt Gründe, warum das Verhältnis zwischen Genossenschaften und Kartellrecht ein aktuelles Thema geworden ist. So habe sich das Bundeskartellamt in den vergangenen Jahren mit mehreren Genossenschaften auseinandergesetzt und sich zu einigen Ausgestaltungsfacetten kritisch geäußert. Zudem seien vor allem gewerbliche und landwirtschaftliche Genossenschaften gegenwärtig einem deutlich gestiegenen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Obendrein verlange der Koalitionsvertrag die Klärung der Vereinbarkeit des Kartellrechts mit dem Genossenschaftswesen. Dazu teilt das Bundeskartellamt in seinem Jahresbericht 2018 mit: „Dem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag 2018 folgend arbeitet das Bundeskartellamt in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie an einem Leitlinienentwurf zur Vereinbarkeit des Genossenschaftswesens mit dem Kartellrecht. Diese Leitlinien zielen darauf, eine vonseiten der Genossenschaften empfundene Rechtsunsicherheit im Hinblick auf kartellrechtliche Spielräume bei der genossenschaftlichen Zusammenarbeit auszuräumen.“
Theuerl weist auf konkrete Konflikte aus der jüngsten Vergangenheit hin, die vom Bundeskartellamt beabeitet wurden. So legte die Behörde 2017 einen Sachstandsbericht zu den Rohmilchlieferbedingungen zwischen den Landwirten als Mitglieder und ihren Molkereien als Genossenschaften vor. Da gebe es Wettbewerbshindernisse. Ein Musterverfahren wurde 2018 eingestellt. Außerdem habe das Bundeskartellamt Geldbußen gegen den Fahrradgroßhändler ZEG Zweirad-Einkaufsgenossenschaft eG (ZEG) wegen einer vertikalen Preisbindung mit 47 Fahrradeinzelhändlern in Höhe von 13,4 Millionen Euro verhängt. Das Verfahren wurde durch einvernehmliche Verfahrensbeendigung abgeschlossen. Zur ZEG gehören europaweit 960 und davon allein in Deutschland 670 selbstständige Fahrradeinzelhändler.
„Beide Fälle betreffen wesentliche Elemente der Binnenstruktur der genossenschaftlichen Zusammenarbeit“, so Theuerl. Das Bundeskartellamt, das 1958 gegründet wurde und dessen Tätigkeit das „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ (GWB) zugrundeliegt, hat im Jahr 2018 Bußgelder wegen Kartellabsprachen im Unfang von 370 Millionen Euro verhängt und rund 1.300 Fusionsanmeldungen geprüft. ++ (kt/mgn/19.09.19 – 156)
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