Dresden, 12. April 2019 (geno). Der zwischen der Dresdener Wohnungsgenossenschaft Johannstadt (WGJ) und einem Mitglied dieser Kooperative vor Gericht ausgetragene Streit erfordert eine kompakte und schlüssige Beweiserhebung. Darauf wies am Freitag Richterin Beatrice Schäfer-Bachmann im Amtsgericht Dresden bei einem Verkündungstermin hin, zu dem neben dem beklagten Genossenschaftsmitglied ungewöhnlicherweise eine stattliche Anzahl interessierten Publikums – sogar aus der deutschen Hauptstadt Berlin – erschienen war. Seitens der Klägerseite zeigten weder Genossenschaftsvorstände noch deren anwaltliche Vertretung Präsenz.
Schäfer-Bachmann unterstrich die Notwendigkeit überzeugender Indizien und Beweise, um sich mit der von der WGJ eingeklagten, strafbewehrten Unterlassungserklärung ernsthaft auseinander setzen zu können. Dazu terminierte sie den 10. Mai 2019. Dann müssen umfangreiche Dokumente vorgelegt und einige Zeugen gehört werden, um die gegen das beklagte Genossenschaftsmitglied erhobenen Vorwürfe untermauern zu können.
Die WGJ muss dazu Stichhaltiges vorbringen und nachweisen. Bisher ist das nicht gelungen. So vermochte die Amtsrichterin in einem Anwaltsschreiben des klagenden Genossenschaftsvorstands nicht zu erkennen, dass der beklagte Genossenschaftsmieter durch Einsichtnahme in das Genossenschaftsregister kriminelle Energie eingesetzt und sensible Geschäftsgeheimnisse der Öffentlichkeit preisgegeben haben sollte. Auch für üble Nachrede oder Verleumdung gebe es keine hinlänglichen Anzeichen.
Der von der Juristin vorgetragene lange Katalog weiterhin erforderlicher Nachweise lässt vermuten, dass es der Klägerin schwerfallen dürfte, den Beklagten eines strafwürdigen und genossenschaftsschädlichen Verhaltens zu überführen.
Vertreter der Initiative „Genossenschaft von unten“ Berlin, sehen in der juristischen Auseinandersetzung ein deutliches Signal für wachsende Spannungen innerhalb einzelner Genossenschaften zwischen Vorständen und Mitgliederbasis über die innergenossenschaftliche Demokratie. Sie weisen darauf hin, dass bereits im Jahr 1889 – also vor 130 Jahren – der Deutsche Reichstag die Angehörigen genossenschaftlicher Zusammenschlüsse vor ihren Leitungsgremien gewarnt, zur permanenten Wachsamkeit ermahnt und zu höchstmöglicher Transparenz aufgefordert hat. ++
Ein von igenos, der Interessenvertretung der Genossenschafts-mitglieder vorgeschlagenes Vermittlungsangebot wurde von der
Dresdener Wohnungsgenossenschaft Johannstadt (WGJ) höflich aber bestimmt abgelehnt.
igenos verweist ausdrücklich darauf hin, dass die Rechtsform Genossenschaft die Aufgabe hat die Mitglieder zu fördern und nicht mit einer Aktiengesellschaft verglichen werden darf. Im Rahmen des genossenschaftlichen Identitätsprinzips ( Mitglied = Mitinhaber) genießt das Genossenschaftsmitglied weitreichende Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten. Die freie Kommunikation der Mitglieder untereinander gehört selbstverständlich auch dazu – wie soll denn auch sonst eine Entscheidungsfindung innerhalb der Genossenschaft gewährleistet werden. Der genossenschaftliche Förderauftrag sollte immer von den Mitgliedern festgelegt werden. Und hierfür muß eine Abstimmung der Genossen untereinander möglich sein.
Der Genossenschaftsvorstand ist allein für die Umsetzung der Mitgliederförderung verantwortlich. Die genossenschaftlichen Prüfungsverbände sind im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfung verpflichtet die Erfüllung des Prüfungsauftrags durch den Vorstand zu bestätigen und zu dokumentieren.(*) Die Bundesländer sind für die Überwachung der Prüfungsverbände verantwortlich.
Vor diesem Hintergrund sind Vorstand und Aufsichtsrat verpflichtet die Mitglieder über die wirtschaftlichen Belange ihrer Genossenschaft aufzuklären bzw. zu informieren, denn nur so können die Mitglieder in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.
Betroffen sind alle wesentlichen wirtschaftlichen Belange der Genossenschaft. Auch hier ist immer die Mitgliederförderung zu berücksichtigen. Letzteres betrifft auch die Gewinnverteilung und den Umgang mit den Rücklagen der Genossenschaft. Und genau darum ging es bei der strittigen Mitgliederbefragung. (ju/mgn/12.04.19 – 075)
www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27
(*) Anmerkung der Redaktion: Die Pflicht des Prüfungsverbands im neuen § 58 Absatz 1 Satz 3, im Prüfungsbericht zur Einhaltung des Förderzwecks Stellung zu nehmen, dient der Transparenz. Der Förderzweck stellt das charakteristische Merkmal der Rechtsform der Genossenschaft dar. Vorstand, Aufsichtsrat und die übrigen Genossenschaftsmitglieder sollen frühzeitig gewarnt werden, falls sich eine Genossenschaft von ihrem Förderzweck entfernt. Der Fall, dass eine Genossenschaft keinen oder keinen zulässigen Förderzweck mehr verfolgt, ist kann aber sehr gravierende Folgen haben: Gemäß § 81 GenG kann die Genossenschaft aufgelöst werden. Zum vollständigen Beitrag der Genonachrichten vom 21.November 2018.
1 Kommentar.
[…] dem Berufungsverfahren geht es auch um die Rechte und Pflichten der Genossenschaftsmitglieder. Die GenoNachrichten haben in der Vergangenheit mehrfach über den Vorgang berichtet und auch die Prüfungsverbände […]