Berlin, 22./23. März 2019 (geno). Vor 130 Jahren erscholl der erste laute Warnschuss zur Wahrung demokratischer Verhältnisse innerhalb von Genossenschaften. Er wurde im Reichstag am 23. März 1889 abgegeben in Form eines Beschlusses. Darin werden die Genossenschaftsmitglieder ernsthaft ermahnt, auf der Hut vor ihren Führungsgremien – Vorständen und Aufsichtsräten – ihrer Selbsthilfeorganisationen zu sein. Sie sollten darauf achten, das Prinzip der innergenossenschaftlichen Demokratie stets und ständig lebendig zu halten.
Kritische Kontrolle und weitestgehende Transparenz dürften nicht blindem Vertrauen peu a peu zum Opfer fallen. Dass diese Gefahr bis heute an vielen Ecken in den Kooperativen lauert, zeigen in ihrer ungeschminkten Nüchternheit jüngste Fälle in Stuttgart und Dresden.
Während in Baden-Württemberg ein Finanzspekulant unter der Tarnkappe einer Genossenschaft üble Finanzabzocke in Gestalt eines Schneeballsystems betrieben und dabei vertrauenselige Genossenschaftsmitglieder um ihr Geld gebracht hat, wird in Sachsen ein kreatives, aktives Genossenschaftsmitglied einem schaurigen Spießrutenlauf ausgesetzt, aus der Genossenschaft ausgeschlossen und vor Gericht gebracht. Angelastet wird ihm, sich in Eigeninitiative um einen regen Dialog innerhalb seiner Wohnungsgenossenschaft unter den Mitgliedern bemüht zu haben. Es wird isoliert, diffamiert und sogar kriminalisiert.
Auch wenn diese Vorgänge in ihrem Kern noch nicht abschließend geklärt sind, so zeigen sie doch anschaulich, welchen Gefahren die inneren Strukturen von Genossenschaften ausgesetzt sind. Außerdem lassen sie ahnen, dass es sich nur um die Spitze eines Eisberges handelt.
Wird der Rechtsmantel der eingetragenen Genossenschaft vorsätzlich missbraucht?
Unter der Oberfläche vieler Genossenschaften gärt und brodelt es gewaltig. Ausdruck dessen ist zum Beispiel die Initiative „Genossenschaft von unten“. Sie hat sich in einigen Großstädten wie Berlin und Hamburg sichtbar gemausert und bewirkt viel Nützliches.
Deutlich werden dabei die gravierenden Schwachstellen, an denen die gegenwärtige Genossenschaftslandschaft in Deutschland nicht erst seit gestern leidet. Besonders schmerzlich ist, dass von den Nationalsozialisten in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erpresste und aufgezwungene Vorschriften bis in die heutige Zeit Gültigkeit haben und mit erstaunlicher Hartnäckigkeit von Politik und Genossenschaftsverbänden verteidigt werden. Eine davon ist die Zwangsmitgliedschaft in einem genossenschaftlichen Prüfungsverband.
Deshalb ist eine Radikalkur erforderlich, die nur durch die Masse der rund 20 Millionen deutschen Genossenschaftsmitglieder durchzusetzen ist. Hierzu an diesem allgemein wenig bekannten Jubiläum den längst fälligen Startschuss zu geben, ist mehr als angemessen. Im Diktum der Staatsbürokratie heißt das „Wiedervorlage“ (WV). So verstehen es die Regierenden und Mächtigen des Landes besser.
Dass diese genossenschaftliche Wurzelbehandlung unter dem Signum „WV 23. März 1889″ steht, ist deshalb logisch.
Dank igenos, befassen sich inzwischen bundesweit immer mehr Genossenschaftsmitglieder aktiv mit dem „genossenschaftlichen Förderauftrag“ und der von oben verordneten „Fusionspolitik der Verbände“ Im Vorfeld der Jubiläumsaktion wurden bereits mehr als 15.000 kostenfreie E-Books abgerufen. ++ (gs/mgn/22.03.19 – 060)
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