Zürich legt genossenschaftliche Elle an

Zürich, 20. März 2019 (geno). Die Versorgung mit stadteigenen Wohnungen in Zürich ist in ein soziales Ungleichgewicht und in Verruf geraten. Um Ausgleich zu schaffen, wird nun die genossenschaftliche Elle als Maß angelegt. Das betrifft zum einen die Belegung. „Es gilt, wie bei fast allen Genossenschaften, der Grundsatz, dass mindestens zwei Personen in einer Dreizimmerwohnung und mindestens drei Personen in einer Vierzimmerwohnung leben müssen“, schreibt am Mittwoch die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ).

Einem solchen Regime sollen nun auch die städtischen Wohnungsbestände unterworfen werden. In groben Zügen hatte der Zürcher Gemeinderat Ende 2017 vorgegeben, wie die Vermietung städtischer Wohnungen geregelt werden soll. Nach einer etwa dreijährigen Kommissionsarbeit wurde nun eine Verordnung präsentiert, die erstmals Einkommensvorschriften, aber auch großzügige Ausnahmen enthält. So wird beispielsweise bestimmt, dass die Einkommensregeln in 15 Prozent der Mietverhältnisse nicht eingehalten werden müssen. Der Stadtrat hat nun zusätzliche Details beschlossen. Im Brennpunkt steht die Definition des „angemessenen Verhältnisses“ zwischen Miete und Einkommen. Am Anfang dürfe jemand, der eine städtische Wohnung will, nicht mehr als vier Mal so viel verdienen wie die Höhe des Mietzinses. Mit den Jahren kann sich dieses Verhältnis auf bis 1:6 ausweiten. Das Vermögen über 200.000 Schweizer Franken wird zu zehn Prozent zum Einkommen gerechnet. Nicht betroffen von dieser Regelung sind diejenigen mit einem Einkommen, das unter 70.000 Schweizer Franken liegt.

Wenn bei mehr als 15 Prozent der Wohnungen diese Verhältnisse nicht mehr bestehen, muss die Stadt handeln. Sie fordert dann die Mieterschaft zum Wohnungswechsel auf und kann sogar Kündigungen aussprechen – beginnend bei den höchsten Einkommen. Mietern, deren Einkommen unter 230.000 Schweizer Franken liegt, macht die Stadt Zürich zuvor zwei „zumutbare Angebote“ zum Wohnungstausch.

Kontrolliert wird das ganze alle zwei Jahre und zwar automatisiert, indem die Steuerdaten der Mieter angezapft werden. Zu dieser Auskunft werden die Mieter bei Neuverträgen verpflichtet. Wer schon zu Beginn dieses Jahres in einer städtischen Wohnung lebt, bekommt eine Übergangsfrist von fünf Jahren, um die Verhältnisse anzupassen.

Grund für die Regelung ist, dass die Vermietung stadteigener Wohnungen zum Politikum geworden ist und zu Empörung bei der Bevölkerung geführt hatte. Es war bekannt geworden, dass 132 Millionäre in preisgünstigen städtischen Wohnungen leben. Der Stadt Zürich gehören 9.200 Wohnungen, von denen 2.200 subventioniert, also von Stadt und Kanton zusätzlich verbilligt werden.

In einem NZZ-Kommentar schreibt Adi Kälin dazu: „Der Bau von günstigen Wohnungen ist in Zürich ein politischer Dauerbrenner, der sogar in einem eigenen Artikel in der Gemeindeordnung verankert ist. Mit grossem Engagement setzt sich das rot-grüne Zürich dafür ein, dass eine städtische Siedlung nach der anderen hochgezogen wird. Schrebergartenareale müssen ebenso weichen wie Parkanlagen, wenn es um den Bau „bezahlbarer“ Wohnungen geht. Mit im Boot sind die Genossenschaften, die seit Jahren grosse Teile ihrer Siedlungen abbrechen und durch Neubauten ersetzen“. ++ (wg/mgn/20.03.19 – 055)

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