Wenn man angenommen hatte, die Fusionswelle bei den Genossenschaftsbanken habe mit 1.000 Instituten ihr Ende erreicht, sieht man sich getäuscht. Ende der 80er Anfang der der 90er Jahre verfolgte der BVR in einem Strategiepapier das Ziel, die seiner Zeit noch bestehenden 3.000 Volks- und Raiffeisenbanken auf 850 bis 1.000 „abzuschmelzen“.
Nachdem der Scheitelpunkt der Fusionswelle Ende 90er Anfang der 2000er Jahre erreicht schien, konnte man annehmen, dass Druckfusionen weitestgehend der Vergangenheit angehören würden. Selten waren Verschmelzungen betriebswirtschaftlich geboten, rechtlich gesehen waren sie überwiegend gesetzwidrig:
Die verbandspolitisch motivierte Bestrebung größere Einheiten zu schaffen, was nie wirklich schlüssig begründet werden konnte, ging fast immer zu Lasten der Mitglieder. Das ist bei den derzeit weiteren Fusionen – ca. 50 jährlich – nach wie vor der Fall, denn die Auflösung einer Genossenschaft mit Vermögensübertragung auf die aufnehmende Genossenschaft ist dann ein Verstoß gegen § 1 GenG, wenn die übertragende Genossenschaft nicht tatsächlich notleidend ist. Dann findet durch den Untergang ihrer Vereinigung die Entrechtung der Anteilseigner statt.
Bereits die Basis auf der eine Fusion durchgeführt werden soll, ist ausgesprochen zweifelhaft: nämlich die Bewertung von Kreditrisiken, die sich zu einem Unternehmensrisiko verdichten, die dann in die Einstufung „fusionsreife Sanierungsbank“ führt. Die Rechtswidrigkeit vollzieht sich in einzelnen Schritten:
- Pflichtwidrige Prüfung durch Falschbewertung von Kreditrisiken – fehlerhaftes Ausüben prüferischen Ermessens (s. § 62 GenG / § 323 HGB); damit Erfüllung des Tatbestandes nach § 150 Abs. 1 GenG, evtl. auch Abs. 2 / s. auch § 332 HGB, § 266 StGB „Untreue“
- Die Falschbewertung führt zur fehlerhaften Berichterstattung im Prüfungsverfahren § 57 Abs. 4 GenG, zum falschen Prüfungsbericht gem. § 58 GenG.
- Den Organen der Bank werden dadurch falsche Informationen für ihre Mitwirkung im Prüfungsverfahren und eine unzutreffende Grundlage für die Beratung über das voraussichtliche Prüfungsergebnis gem. § 57 Abs. 4 GenG und den Prüfungsbericht § 58 Abs. 3, 4 GenG gegeben.
- Durch diese Beeinflussung werden Vorstand und Aufsichtsrat dazu verleitet, einen falschen Jahresabschluss zu unterzeichnen und in der Generalversammlung einen falschen Lagebericht abzugeben; die Organe werden dadurch letztlich auch zu einer Straftat gem. § 147 GenG verleitet.
Das „Durchlaufen“ dieser Kette kann dann letztlich den Anteilseignern den Eindruck vermitteln, ihre Genossenschaft könne – aus zwingenden Gründen – die Selbstständigkeit nicht aufrechterhalten und müsse wegen der Unabwendbarkeit drohender Gefahren fusionieren. Dabei darf nicht übersehen werden, dass sowohl Vorstände wie Aufsichtsräte die Pflicht haben, beim Prüfungsverfahren auch durch kritisches Hinterfragen der Bewertung einzelner Kreditengagements und während der gesamten Prüfung sorgfältig mitzuwirken. Dass ihnen das möglich sein müsste, ergibt sich bereits aus den fachlichen Anforderungen des § 25 d S. 1 KWG.
Die so betrachtete Verletzung der Sorgfaltspflichten führt zur Haftung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat. Dabei ist es h.M., dass sich ein einzelnes Organmitglied seiner ggf. auch strafrechtlichen Verantwortung gem. § 147 GenG, nicht mit Hinweis auf „Nichtzuständigkeit“ entziehen kann.
Schlussendlich liegt es nicht fern festzustellen, dass fehlerhafte, leichtfertige Prüfung und Sorgfaltspflichtverletzung von Vorstand und Aufsichtsrat nicht dazu geeignet sind, den Erwerb oder die Wirtschaft der Mitglieder ihrer Genossenschaftsbank gem. § 1 GenG zu fördern.
Vorstände und Aufsichtsräte in der Haftungsfalle. igenos die Interessenvertretung der Genossenschaftsmitglieder spricht hier von rechtswidrigen Fusionen mit System und bereitet seit 2019 mehrere Musterprozesse vor. Rechtlich gesehen liegt die alleinige Verantwortung bei den Genossenschaftsorganen. Die Verbände haben nur eine beratende Funktion.
5 Kommentare.
[…] Der Job als Vorstand und Aufsichtsrat ist nicht nur mit Prestige sondern häufig auch mit nicht unerheblichen Haftungsrisiken verbunden. Hier verweisen wir auf einen aktuellen Bericht der Genonachrichten, der sich kritisch […]
[…] eine zusätzliche Altersversorgung aufbauen können. Eine private Altersversorgung gegen die kein Vorstand, Aufsichtsrat oder Verband irgendwelche Einwände erheben kann. Schließlich handelt es sich dabei um die pure […]
[…] mittlere Volks- und Raiffeisenbanken in ihrer Existenz gefährdet. Diese Fusionswelle richtet sich gegen die Interessen der Mitglieder, die quasi durch die Hintertür enteignet werden. Ist die Genossenschaftsbank erst einmal […]
[…] mittlere Volks- und Raiffeisenbanken in ihrer Existenz gefährdet. Diese Fusionswelle richtet sich gegen die Interessen der Mitglieder, die quasi durch die Hintertür enteignet werden. Ist die Genossenschaftsbank erst einmal […]
Die sollten mal das lesen:
Strafgesetzbuch § 263
1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.