Brüssel, 12. Oktober 2018 (geno). Die Europäische Union (EU) arbeitet derzeit an einer Richtlinie, die das Grundgefüge des genossenschaftlichen Lebensmittelhandel in Deutschland zu sprengen droht. Namentlich wären dadurch unter anderen die beiden kooperativ organisierten Handelsriesen Edeka und Rewe in ihrer Existenz gefährdet, sollte die auf Vorschlag des EU-Parlaments konzipierte Vorschrift entworfen und in Kraft gesetzt werden.
Es ist nämlich beabsichtigt, in das Papier ein Verbot für den Zusammenschluss von Einzel- und Großhandel zu Einkaufsgemeinschaften aufzunehmen. Darin besteht aber der Kern des Geschäftsmodells. Die meisten Läden werden von selbständigen Kaufleuten geführt. Als Eigentümer bestimmen sie das Sortiment und vereinbaren mit lokalen und regionalen Partnern Warenlieferungen. Parallel beziehen sie Standardprodukte über die jeweiligen Zentrale ihrer Handelsgenossenschaft, die gebündelt entsprechend große Warenposten bei der Nahrungsgüter- und Konsumgüterindustrie einkaufen bzw. erfolgreiche Handelsmarken in Auftrag geben. Die Logistik erfolgt dann über Regionalläger
Diesem System würde die geplante EU-Richtlinie die Todesspritze setzen. Entsprechend wächst die Unruhe und Empörung über das Vorhaben der Brüsseler Bürokraten. Der Vorstandsvorsitzende der Rewe-Group, Lionel Suque, verweist darauf, dass dies nicht mit dem vertraglich verankerten Ziel der Berliner Regierungskoalition zu vereinbaren ist, wonach Genossenschaften als nachhaltige und krisenfeste Unternehmensform zu stärken sind.
Aus der Edeka-Gruppe verlautet, das mit einem solchen Vorhaben der bewusst gebildete Gegenpol zu marktdominierenden Großkonzernen der Industrie eliminiert würde. Ein derartiges Verbot verkörpere wettbewerbspolitisch die Aufgabe von Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft und beende die Vertragsfreiheit. ALDI & Co. könnten sich freuen. Die Folge wären einseitige Renditesteigerungen der Markenartikelindustrie, beträchtliche Effizienzverluste in der Lebensmittelkette und steigende Verbraucherpreise. Ohne die jetzt bestehende Kooperationsmöglichkeit müsste dann jeder selbständige Edeka- und Rewe-Kaufmann einzeln bei den Herstellern entsprechend geringe Produktmengen einkaufen. Das zieht automatisch höhere Preise nach sich.
Nach den Worten des Präsidenten des Verbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), Josef Sanktjohanser kommt „der Vorschlag einem Generalangriff auf den mittelständischen Lebensmittelhandel gleich“. Er werde von dieser ideologischen EU-Regulierung bis ins Mark getroffen. Der bayrische Part dieser Vereinigung hat in aller Eile und noch unmittelbar vor der in Kürze stattfindenden Landtagswahl im Freistaat einen Brandbrief an den Ministerpräsidenten Markus Söder gesandt. Der CSU-Europaabgeordnete Albert Deß gehört nämlich zu den maßgeblichen Urhebern und Auslösern des strittigen Vorschlagspapiers. In dem Schreiben wird darauf verwiesen, dass „Genossenschaften das wirtschaftliche Rückgrat des Lebensmittelhandels“ sind. Der Plan würde allein in Bayern fast 100.000 Arbeitsplätze aufs Spiel setzen. Nahversorgung sei ein Stück Lebensqualität und genossenschaftliche Strukturen sorgten auch in Bayern für deren Qualität und Quantität.
Die ins Auge gefasste EU-Richtlinie würde nicht nur die Zerschlagung von Handelsgenossenschaften bedeuten, sondern auch in zahlreichen anderen Wirtschaftsbereichen auf genossenschaftlicher Basis funktionierende Einkaufsgemeinschaften kämen in existenzielle Bedrängnis. Beispielsweise wären auch die meist in Genossenschaften organisierten Bäcker und Konditoren massiv betroffen. ++ (eu/mgn/12.10.18 – 203)
www.genonachrichten.de, e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27
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[…] gegen die Bestrebungen der Europaabgeordneten von CDU/CSU. Die Parlamentarier hatten mit ihren Anträgen eine geplante EU-Richtlinie so verändern wollen, dass damit das Grundprinzip von Genossenschaften zugrundegerichtet worden […]