Bad Salzungen/Schmalkalden, 17. August 2018 (geno). Wegen angeblich „großflächigem Immobilienbetrug“ hat die für Wirtschaftskriminalität in Thüringen zuständige Schwerpunktstaatsanwaltschaft Mühlhausen Mitte dieser Woche Durchsuchungen bei der Volks- und Raiffeisenbank Bad Salzungen Schmalkalden eG veranlasst. Betroffen waren mehrere, bis zu 20 Geschäfts- und Privaträume im gesamten Bundesgebiet. Es wurden meterweise Akten und Unterlagen beschlagnahmt. Damit traten Ermittlungen in ihre heiße Phase, die ein anonymer Hinweisgeber bei der zuständigen Aufsichtsbehörde – der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) – bereits vor einigen Jahren ausgelöst hatte.
update+++ aus aktuellem Anlass die Stellungnahme der Bank zur durchgeführten Razzia haben ist hier eingefügt ++++++ein unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat der Genossenschaftsbank inzwischen Recht gegeben und alle Zweifel an der Geschäftspolitik ausgeräumt. ++++
Die BaFin beaufsichtigt im Genossenschaftssektor nur Finanzunternehmen. Von der Aufsicht sind 45 Genossenschaften, die Finanzgeschäfte betreiben, freigestellt. Es handelt sich dabei vor allem um Wohnungsgenossenschaften mit Spareinrichtung.
Erst kürzlich hatte die Bundesregierung, auf eine Kleine Anfrage der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ( Drucksache 19/3595 ), nach der Zahl von Hinweisen auf Verstöße bei Genossenschaftsbanken und genossenschaftlichen Prüfungsverbänden informiert. Über 32 derartiger Vergehen wurden seit dem Jahr 2013 bearbeitet. Fast auf jedes Jahr entfallen fünf derartige Untersuchungsfälle. Allerdings wurden in diesem Jahr, das gerade erst zur Hälfte abgelaufen ist, bereits sieben Verstöße bei der BaFin gemeldet.
Besonders aufschlussreich ist der Tatbestand, dass mehr als die Hälfte – nämlich 19 – der insgesamt 32 Untersuchungsfälle von Privatpersonen angezeigt worden sind. Fünf Hinweise kamen aus Verbraucherzentralen, jeweils zwei von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Prüfungsverbänden. Auch eine Selbstanzeige war zu registrieren. Letztere basierte auf eine Empfehlung durch den Prüfungsverband.
Anzeigen wegen der missbräuchlichen Nutzung des Rechtsmantels der eingetragenen eG, insbesondere durch Universalbanken und Energiegenossenschaften, wurden von der BaFin bislang nicht erfasst und somit auch nicht bearbeitet.
Das gilt auch für Anzeigen wegen Verstoß gegen § 25 Umwandlungsgesetz. Dieser Straftatbestand fällt an, wenn Aufsichtsräte und Vorstände bei Fusionen ihre Mitglieder nicht über die eventuellen Vermögensnachteile und Alternativen zur Fusion informieren. In beiden Fällen ist laut igenos ein Grundsatzurteil längst überfällig. Bislang gilt das geflügelte Wort „wo kein Kläger da kein Richter“.
Die überregionale Berichterstattung über die eventus eG oder der Geno Wohnbau eG lassen beispielsweise darauf schließen, dass die missbräuchliche Nutzung des eG Rechtsmantels durch sogenannte „Problem-Genossenschaften“ inzwischen eine höhere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Der häufigste BaFin Beschwerdegrund war die (erwerbsmäßige) Vermittlung von Genossenschaftsanteilen. Ein Widerspruch an sich, denn der Erwerb von Genossenschaftsanteilen ist mit einer gegenseitige Verpflichtungserklärung verbunden. Genossenschaftsanteile sind keine Handelsware. Eine genossenschaftliche Beteiligung darf somit auch nicht als klassische Kapitalanlage angeboten werden. Geschieht dieses trotzdem sind die Vermittler im Erklärungsnotstand und gegebenenfalls auch haftbar.
Vor diesem Hintergrund sind auch die Renditeversprechungen der Energiegenossenschaften problematisch, da sich die Förderung der Mitglieder hier auf die ausgelobte Rendite beschränkt.
Mitgliederförderung im Sinne des Genossenschaftsgesetzes ist ganz einfach. Zum Beispiel sollten die Mitglieder einer Energiegenossenschaft einen ermäßigten Energiepreis für die von ihnen gemeinsam erzeugte Energie bezahlen. Die Mitglieder einer Wohnungsgenossenschaft sollten preisgünstigen Wohnraum erhalten und ihre Nutzungsgebühr selbst festlegen können. Die Mitglieder einer Bankgenossenschaft sollten bei Ihren Geschäften mir ihrer Genossenschaft gefördert werden und auf die von ihnen getätigten Umsätze eine genossenschaftliche Rückvergütung erhalten. Die genossenschaftlichen Prüfungsverbände haben die Aufgabe die Erfüllung des Förderauftrags zu überprüfen und zu dokumentieren. Erfolgt diese Dokumentation nicht muss der Gesetzgeber eingreifen.
Genossenschaften sind Gemeinschaftsunternehmen, die sich im Eigentum und in der Verfügungsgewalt ihrer Mitglieder befinden. Darum sind die Mitglieder gefragt ihre Belange selbst zu regeln.
++ (gb/mgn/17.08.18 -162) e-mail: mg@genonachrichten.de, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27
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Mehr zu dem Thema BaFin und Genossenschaften in den Genossenschaftsnachrichten vom 14.02.2019
Berlin/Bonn, 14. Februar 2018 (genonachrichten). Das Genossenschaftsgesetz formuliert den genossenschaftlichen Förderzweck als zentrales genossenschaftliches Prinzip und verpflichtet die Genossenschaftsorgane gleichzeitig zu dessen Einhaltung. Dass dies geschieht, müssen die genossenschaftlichen Prüfungsverbände prüfen. Der Stellenwert dieser Prüfung hat sich durch die Genossenschaftsnovelle 2017 erhöht. Das stellen in der aktuellen Februar-Ausgabe der Monatszeitschrift “Die Wohnungswirtschaft” die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), Ingeborg Esser, und der GdW-Referatsleiter Genossenschaftsrecht/Genossenschaftswesen, Dr. Matthias Zabel, in einem Schwerpunktbeitrag fest. Ausgangspunkt für die strengere Prüfung sei ein Auslegungsschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gewesen, wonach Genossenschaften regelmäßig keine Investmentvermögen im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) sind. Sie müssten deshalb zwingend nach dem Genossenschaftsgesetz einen besonderen Förderzweck verfolgen. Das schließe eine fondstypische Gewinnerzielungsabsicht aus. Darüber hinaus werde in dem BaFin-Schreiben darauf hingewiesen, dass die Einhaltung der besonderen Anforderungen des Genossenschaftsgesetzes, insbesondere des genossenschaftlichen Förderzwecks, der regelmäßigen umfassenden Prüfung durch die Prüfungsverbände unterliegt.
Gleichzeitig muss nach Einschätzung der beiden Autoren die Neuregelung “zur expliziten Stellungnahme der Prüfungsverbände zur Einhaltung des genossenschaftlichen Förderzwecks” in Verbindung mit einer weiteren Gesetzesänderung gesehen werden. Danach sei der Prüfungsverband berechtigt, der BaFin eine Abschrift des Prüfungsberichts ganz oder auszugsweise zur Verfügung zu stellen, wenn sich Anhaltspunkte ergeben, dass die geprüfte Genossenschaft keinen zulässigen Förderzweck verfolgt, sondern ihr Vermögen gemäß einer festgelegten Anlagestrategie investiert. Nach der Gesetzesbegründung werde weiter konkretisiert, dass dieses Recht des Prüfungsverbandes zur Pflicht wird, wenn Vermögensschäden für die Mitglieder zu befürchten sind.
Die beiden Regelungen sind ab sofort bei allen stattfindenden Prüfungen anzuwenden. Zunehmend auch bei Wohnungsgenossenschaften in der Rechtsform eG. Brenzlig könnte es auch für Beteiligungen von Genossenschaften an anderen Gesellschaften und sonstigen Personenvereinigungen unter dem Aspekt des genossenschaftlichen Förderzwecks werden. Besonders tiefe Sorgenfalten dürften sich in den Vorstandsetagen vieler Volks- und Raiffeisenbanken bilden, denn ihre Institute stehen seit Jahren zunehmend in der Kritik, weil der genossenschaftliche Förderzweck der Mitglieder fast völlig verblasst ist und nur noch als Abstraktum wahrgenommen wird. Ein Abweichen von den neuen Rechtsnormen bringt solche Genossenschaftsbanken demnächst wohl mehr als in Erklärungsnot. ++ (ww/mgn/14.02.18 – 033)
4 Kommentare.
Die bestehenden genossenschaftlichen Verbandsstrukturen wurden in der NS Zeit als Steuerungs- und Kontrollinstrument installiert. Mitgliederpartizipation ist ein Fremdwort. Besonders betroffen sind die Genobanken.
„Druckfusionen“ mit BaFin Unterstützung oder die „Fonds für allgemeine DZ-Bankrisiken“ werden von oben angeordnet und gegen die Interessen der Mitglieder durchgesetzt.
Eine Förderauftragsprüfung – wie diese vom coopgo entwickelt wurde – ist im Interesse der Mitglieder.
Genossenschaften deren „Vorstand in enger Kooperation mit dem Aufsichtsrat – quasi als Geschäftsmodell“ gemeinsam die Mitglieder ausplündern, sind ein besonders drastischer Beleg für die missbräuchliche Nutzung der Rechtsform Genossenschaft. Leider wird „dieser besondere Geschäftszweck“ bei der Gründung der Genossenschaft anscheinend gut verschleiert. Der gewerbsmäßige Handel mit Genossenschaftsanteilen oder -beteiligungen sollte grundsätzlich unterbunden werden.
Genossenschaften, die ihre Mitgliederförderung nicht nachweisen können, missbrauchen die Rechtsform.
Darum unterstützt igenos ausdrücklich die vom Gesetzgeber vorgegebene „Förderauftragsprüfung“ und somit im Sinne der Mitglieder, auch die freie Verbandswahl.
Was hat bafin mit Immos zu tun? geht dieser doch nichts an. bafin beaufsichtigt bankgeschaft. fur immo nicht zustandig. hat bafin hass auf bank, wenn die nicht wollen wie bafin? ( Diese Nachricht wurde automatisch übersetzt )
Wir geben diese Frage an igenos weiter und bitten auch das unabhängige Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft eV. (IGB) um eine kurze Stellungnahme. Das Banken ihren Prüfungsverband wechseln (können) ist für die Genonachrichten absolutes Neuland. Das ein Verbandswechsel bestehende Konflikte weiter verschärfen kann – ist uns dagegen bekannt.
Interessant: die Bank hat 2015 den Prüfungsverband gewechselt und wird seither von einer Kanzlei in Erfurt geprüft.
Nebenbei gehört dem besagten Kanzleiverband auch die GENO Wohnungsbaugenossenschaft eG an, die ebenfalls ihren Prüfungsverband verlassen hat und heute mit der Insolvenz kämpft. Alles Zufälle? Oder warum tritt igenos so vehement für die freie Prüferwahl ein?