Berlin, 16. April 2018 (geno). Auf Friedrich Wilhelm Raiffeisen fallen Schatten. Der deutsche Genossenschaftspionier, der vor 200 Jahren im Westerwald geboren ist und dessen Geburtsjubiläum ein ganzes bundesweites Festjahr gewidmet ist, gerät durch ein gründlich recherchiertes Buch ins Zwielicht. Autor Wilhelm Kaltenborn beleuchtet in seiner Analyse mit dem Titel „Raiffeisen – Anfang und Ende“ die wenig glanzvollen Seiten des Genossenschaftsreformers. Insbesondere seine antisemitische Haltung, die offensichtlich in den vergangenen Jahrzehnten verschwiegen oder verniedlicht wurde, wird aufs Korn genommen. Am Wochenende veröffentlichte das selbst nach genossenschaftlichen Prinzipien geführte Berliner Medienunternehmen „tageszeitung“ (taz) eine Rezension unter dem Titel „Abgründe eines Weltverbesserers“, dessen Würdigung anlässlich des 200. Geburtstages in einer ungerechtigtfertigten Verklärung zu enden droht. Das zumindest befürchtet Kaltenborn – wohl auch nicht ganz zu Unrecht – und setzt dem die von ihm verfasste Schrift als Korrektiv entgegen.
taz-Autor Jan Jekal kritisiert die fragwürdige Heldenerzählung über den Mythos Raiffeisen ausgesprochen scharf: „Raiffeisens Judenhass, im christlichen Fundamentalismus begründet, war nämlich durchaus sinnstiftend für das genossenschaftliche Modell, das er als Bürgermeister von rheinland-pfälzischen Kleinstädten Mitte des 19. Jahrhunderts implementierte. Er fantasierte vom jüdischen Wucherkapitalisten, der die arme christliche Bauernschaft in prekäre Verhältnisse zwinge, und setzte dieser Fiktion sein Ideal vom gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb in genossenschaftlicher Solidarität entgegen. Die Genossenschaft verstand er darüber hinaus als Maßnahme zur christlichen Erziehung. Der Glaube war wiederum wirksames Gegengift zu der von ihm so gehassten Sozialdemokratie.“ Einen Umsturz habe er unbedingt vermeiden wollen, weil seine Sache von der Gunst der preußischen Machtelite direkt abhängig gewesen ist. Die deutsche Geschichtsschreibung habe diese wenig rühmlichen Beweggründe bisher entweder ignoriert oder verharmlost. Aspekte des Heldentums hätten im Vordergrund gestanden.
Jekal geht es nach eigenem Bekunden nicht darum, das genossenschaftliche Modell als solches zu diskreditieren oder Raiffeisens unbestrittene Verdienste als Sozialreformer kleinzureden. Dennoch sei mit geschichtsrevisionistischen Lobhudeleien niemandem gedient. ++ (ra/mgn/16.04.18 – 076)
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Unverblümte Wahrheiten über Raiffeisen – Antisemit ohne Wenn und Aber
1 Kommentar.
[…] Raiffeisen wegen seines diesjährigen 200sten Geburtsjubiläums gestanden hat, diesen als “geistigen Vater der Genossenschaftsidee” bezeichnet und gewürdigt. Desweiteren sei weiterhin zu lesen: “Aus dieser Idee […]