Berlin 15. März 2018 (geno). Der Erfolgschlüssel von Genossenschafts- und Raiffeisenbanken liegt – historisch gesehen – in der guten Informationslage und in der Kleinräumigkeit der Darlehensvereine. Zu diesem Ergebnis kommt der Professor für vergleichende Wirtschaftsgeschichte Timothy Guinnane von der Yale-University. Darüber berichtet die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) am Mittwoch in einem Beitrag über die Verdienste von Friedrich Wilhelm Raiffeisen um das Kreditwesen in ländlichen Regionen. Nach Auffassung von Guinnane lösten die Genossenschaftsbanken das Informationsproblem besser als die anderen Geldhäuser. „Es besteht darin, dass eine Bank schlecht beurteilen kann, ob jemand fleissig ist und seinen Kredit zurückzahlt oder das Geld im Wirtshaus verjubelt. Raiffeisen achtete auf die Kleinräumigkeit seiner Vereine, die oft um eine Kirchgemeinde aufgebaut wurden. Im Jahr 1913 hatten 80 % der Vereine ein Einzugsgebiet von weniger als 3.000 Personen. Wer nicht zurückzahlte, musste zudem mit scharfen Sanktionen rechnen“, schreibt die NZZ. Er hatte es schwer, im Dorf eine neue Arbeit zu finden. Ein säumiger Schuldner konnte auch nicht einfach woanders Geld ausleihen. Es gab kaum andere Banken und die Darlehenskassen konkurrierten nicht miteinander.
Die Kredite hatten laut Guinnane meist eine Laufzeit von mehr als einem Jahr, in 20 Prozent der Fälle von mehr als zehn Jahren. Bei den damaligen Geschäftsbanken dagegen mussten Kredite meist alle 90 Tage erneuert werden. Dank der Genossenschaftsbanken konnten Bauern Investionen finanzieren, die sich erst längerfristig rechneten. Raiffeisen sei ein Pionier gewesen, der das Ziel eines „inklusiven Finanzwesens“ mit viel Herzblut und ohne staatliche Hilfe früh voranbrachte.
Der Autor des Beitrages fördert auch eine wenig bekannte Geschichte über das Erfolgsgeheimnis Raiffeisens zutage. Als Raiffeisen kurz vor seinem 70. Geburtstag gestorben war, funktionierte ein Pfarrer aus Frankenheim in der Rhön die geplante Jubiläumsrede kurzerhand in einen Nekrolog um. Dem Dorf ging es 1877 so miserabel, dass die Regierung erwog, alle Einwohner auf Staatskosten auf ein Schiff mit Ziel Amerika zu verfrachten. Der Pfarrer aber erkannte den mangelnden Kreditzugang als wichtige Ursache für den wirtschaftlichen Tiefgang und gründete einen Verein nach dem Vorbild Raiffeisens. Die Wucherer wurden vertrieben. Der Pfarrer richtete eine kleine Bürstenfabrik ein, die 90 Personen beschäftigte. Das Schlimmste war abgewendet. ++ (rf/mgn/15.03.18 – 054)
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1 Kommentar.
Genossenschaftsbanken sind so erfolgreich, weil diese lokal agieren und ihren Markt kennen. Endlich wird es einmal unabhängig bestätigt – das die BVR Fusionspolitik dem Wesen der Genossenschaftsidee widerspricht. Das diese Veröffentlichung nicht in Deutschland erfolgte, sondern in der Schweiz (Neue Zürcher Zeitung NZZ) wundert eigentlich niemanden mehr.
Zu den Erfolgsfaktoren der Volks- und Raiffeisenbanken gehört das kleine Einzugsgebiet und die damit verbundene Transparenz. (Die Genossen kennen sich.) Dieser Wettbewerbsvorteil soll nun aufgegeben werden, damit sich die Genossenschaftsbanken im internationalen Wettbewerb behaupten können. Es wird so lange fusioniert bis das letzte bisschen Nähe oder heimatliche Nestwärme verloren gegangen ist. Wem es nicht passt, dem sei es freigestellt zu gehen. Die Mitglieder, also die Eigentümer der Genossenschaften, werden über vorhandenen Alternativen zu einer Fusion gar nicht informiert. Es wird von den Genossen erwartet, dass sie Ihrem Vorstand bedingungslos folgen und das Vermögen ihrer Genossenschaft übergeben. Ob nun einem Genossenschaftsanteil in Höhe von 100,—€ einem Vermögenswert von 750,—€, 5.000,-€ oder mehr als 35.000€ gegenübersteht, wird nicht diskutiert. Die Verbände wollen ja keine Begehrlichkeiten wecken. Der Genosse erhält doch einen neuen Geschäftsanteil an der übernehmenden Bank in Wert von 100,—€ und soll bitte zufrieden sein.