Landgericht Karlsruhe AZ 2 O 304/17 Unwirksamkeit einer Inanspruchnahme als Mitdarlehensnehmer aus mehreren in zeitlicher Abfolge abgeschlossener Darlehensverträge wegen krasser wirtschaftlicher Überforderung.
A. Sachverhalt Der von uns vertretene Kläger war Genosse einer Volksbank in Baden. Er hatte mehrere Darlehensverträge als Mitdarlehensnehmer zusammen mit seiner damaligen Ehefrau unterzeichnet, welche der Finanzierung des Ankaufs und anschließenden der Renovierung des seiner damaligen Ehefrau im Alleineigentum gehörenden Einfamilienhauses dienten. Die Verträge wurden nicht auf einmal abgeschlossen, sondern erst einer für den Ankauf der Immobilie, dann etwas später einer für die Renovierungskosten und ein weiterer mit der Endnummer -700 als sich rausstellte, dass die Baukosten höher als geplant ausfielen. Der Kläger hatte kein Eigeninteresse an der Finanzierung, da die betreffende Immobilie im Alleineigentum seiner damaligen Ehefrau stand und auch keinerlei Wohnrecht oder Ausgleich dafür zwischen den Eheleuten vereinbart war. Er bewohnte allerdings in den Folgejahren das Haus mit Seine Haftung erstreckt sich ausweislich der Darlehensverträge auf die gesamte Darlehenssumme und ist in keiner rechtlich gesicherten Weise auf einen geringeren Betrag beschränkt. Er verfügte zum damaligen Zeitpunkt über ein pfändbares Einkommen von rd. € 170,00/Monat, während der Zins für alle Darlehen zusammen rund das 6-fache betrug. Die beklagte Volksbank hat die Darlehen wegen Zahlungsverzug gekündigt und aus einer vollstreckbare Ausfertigung einer in diesem Zusammenhang errichteten Grundschuldbestellungsurkunde, in welcher sich der Kläger neben seiner Ehefrau unter die sofortige Vollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwarf, gegen den Kläger diverse Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet und den pfändbaren Teil seines Einkommens gepfändet. Gleichzeitig hatte die Volksbank auch die Zwangsversteigerung in die Immobilie betrieben und aus dem Erlös alle bis auf das zuletzt gewährte Darlehen getilgt.
B. Rechtslage. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haften nahe Familienangehörige nicht für Darlehen im Interesse naher Angehöriger, wenn sie zum Zeitpunkt der Eingehung der Bürgschaft oder Mithaftung erkennbar mit etwaig zu leistenden Zins- und Tilgungsleistungen oder Rückführungen des Darlehens finanziell krass überfordert waren (BGH NJW 2005, 971 f.; BGH WM 1999, 1556 ff. ) Im Verhältnis von Ehegatten besteht ohne Hinzutreten weiterer Umstände die Vermutung, dass dies vom Kreditgeber in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt wurde und demzufolge die Mithaftungserklärung gem. § 138 (1) BGB nichtig ist. Es ist im Übrigen unschädlich, dass ein Mithaftender als Mitdarlehensnehmer bezeichnet wurde (BGH, Az.: XI ZR 32/16), wenn er mangels Eigentum oder vergleichbarem Besitzrecht am Haus kein unmittelbares Eigeninteresse an der Kreditgewährung hatte (BGH WM 2003, 1563, 1565) und auch nicht gleichberechtigt über die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden durfte (Vgl. BGH NJW 2009, 2671 f.). Allein die Tatsache, dass er das Haus bewohnt hat, begründet kein unmittelbares Eigeninteresse. Anderweitige Sicherheiten sind im Rahmen der Wirksamkeitsprüfung finanziell übermäßig belastender Bürgschaften und Mithaftungserklärungen nur zu berücksichtigen, wenn sie das Haftungsrisiko des Betroffenen in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß beschränken, also den finanziell krass überforderten Bürgen oder Mithaftenden unter Berücksichtigung weiterer Sicherheiten allenfalls eine seine finanzielle Leistungsfähigkeit nicht übersteigende und damit von § 138 Abs. 1 BGB nicht erfasste „Ausfallhaftung“ trifft. Vorliegend ist die Besonderheit, dass zwar die Zinsen für die zur Immobilienfinanzierung insgesamt aufgenommenen Darlehen die Leistungsfähigkeit des Klägers krass überforderten, aber eben nicht jene aus dem noch geltend gemachten Darlehen -700 und die Frage, ob die Belastungen aus den mehreren, zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschlossenen Darlehnsverträge überhaupt in ihrer Gesamtheit Berücksichtigung finden, weil ja ein einheitlicher Finanzierungszweck zugrunde lag oder ob aufgrund der unterschiedlichen Zeitpunkte die Zinslast jeden Darlehens nur für sich in Relation zur Leistungsfähigkeit des Klägers zu betrachten ist. Hierzu gibt es bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung und es wird wohl auf den Einzelfall abzustellen sein, insbesondere die Einheitlichkeit des Finanzierungszwecks und ob die Aufnahme aller Darlehen auf einem einheitlichen von Anfang an gefassten Finanzierungsplan basiert. Hauptunternehmenszweck einer Volks- oder Raiffeisenbank ist gem. § 11 ihrer Satzung die Sicherung und Förderung der wirtschaftlichen Existenz jeden Mitglieds (vgl. BT-Drs. 14/6456, S.15). Damit scheint es unvereinbar, auf die Mithaftung des Klägers gedrängt zu haben, obwohl die Beklagte wusste, dass der Kläger die potentielle Zinsen aus den zuvor eingegangenen Kreditverpflichtungen und der nunmehr übernommenen Mithaftung nicht tragen kann. Selbst wenn die beklagte Volksbank wie hier nur Forderungen aus dem zuletzt geschlossenen Kreditvertrag geltend macht, hat sie ihre Pflicht zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz gegenüber dem Kläger verletzt und insoweit nach Meinung des Verfassers jeglichen Rückzahlungsanspruch verwirkt.
C. Ergebnis Nach Erörterung der Rechts- und Sachlage haben die Parteien im Gütetermin unter Vermittlung des Gerichts einen Vergleich geschlossen. Damit wurde zwar die rechtlich sehr interessanten Fragen, wie die Zinslast aus mehreren in zeitlicher Abfolge geschlossenen Darlehen bei der Beurteilung der finanziellen Überforderung zu berücksichtigen ist genauso wenig richterlich geklärt wie, inwieweit die Volksbank ihren Rückzahlungsanspruch aufgrund Verletzung ihrer Pflicht zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz verwirkt hat. Der Inhalt des Vergleichs spricht aber wohl für sich: Mit Zahlung eines Teilbetrags von rund 16% der Forderungen der Volksbank sind alle Ansprüche der Bank erledigt und es wurde dem Kläger nachgelassen, diesen Teilbetrag in monatlichen Raten über 4 Jahre verteilt zu bezahlen. Die Volksbank verpflichtete sich weiter , diesen Vergleich der SCHUFA zu melden und jegliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sofort zu beenden. Der Rechtswissenschaftler in mir hat sich eine richterliche Klärung durch alle Instanzen gewünscht, als Rechtsanwalt habe ich meinem Mandanten aber mit dem abgeschlossenen Vergleich sicher einen besseren Dienst erwiesen.
Der Autor Dr Ludolf von Usslar ist Inhaber der Rechtsanwaltskanzlei Usslar Co. und Fachautor.
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