Venezuelas Wunder von Cecosesola – 50jähriger Genossenschaftsverband in stetem Fluss

Caracas, 12. Oktober 2017 (geno). Im 50. Jahr seines Bestehens steht der venezolanische Genossenschaftsverband Cecosesola auf einem Gipfelpunkt seiner Existenz. Dennoch bleibt ungewisss, wohin die Reise führt. Das schlussfolgert der Experte für Unternehmensdemokratie, Andreas Zeuch. 

Das Wunder von Cecosesola begann im Jahr 1967 im venezolanischen Bundesstaat Lara, als zehn Kooperativen den Genossenschaftdachverband gründeten, um den Cooperativistas einen Beerdigungs-Service anbieten zu können. Aus rechtlichen Gründen konnten sie selbst das nicht leisten. Die ersten Jahre dümpelte die Organisation vor sich hin. Nach wenigen Jahren hatten sich formal fixierte Hierarchien verfestigt, die der Selbstbereicherung und Vorteilsnahme dienten. Der Geschäftsführer veruntreute systematisch Geld. Er wurde gefeuert und die Geschäftsräume aufgelöst. Das waren Ursprung und Start für den dann folgenden Lern- und Handlungsprozess, den Zeuch als lebendiges, inspirierendes Experiment bezeichnet. Es sei kein Modell und es stehe dafür keine Rezeptur zur Verfügung. Den Cooperativistas war klar geworden, dass die eigenen kulturellen Wurzeln für die tägliche Arbeit maßgeblich sind – im Gegensatz zu den westlichen Kulturmustern und Verhaltensweisen. Sie wandelten damit auf den Spuren des komplexen Selbstorganisationskonzepts des chilenischen Neurobiologen Humberto Maturana. Das zentrale Wendemanöver bestand für Cecosesola darin, die Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen völlig umzukrempeln.

Heute betreibt Cecosesola drei Wochenmärkte in Laras Hauptstadt Barquisimeto, die eine Million Einwohner hat. Auf diesen Märkten kaufen wöchentlich rund 55.000 Familien ein. Das entspricht einem Viertel der Stadtbevölkerung. Pro Woche werden dort 450 Tonnen Obst und Gemüse zu Preisen verkauft, die etwa 30 Prozent unter denen privatwirtschaftlich tätiger Märkte liegen. Außerdem bietet Cecosesola seit einigen Jahren eine selbstorganisierte Gesundheitsversorgung an. Es wurde ein Krankenhaus errichtet, in dem jährlich 190.000 Behandlungen stattfinden. Die Preise unterschreiten das Niveau privater Dienstleister um 60 Prozent. Für Genossenschaftsmitglieder sind manche Behandlungen kostenlos.

Anderen neuen Ideen der Cooperativistas entsprangen weitere Projekte: Transportbetriebe, Sparkasse und Solidaritätsfonds. Im Jahr 2010 betrug der Umsatz aller Cecosesola-Unternehmen 100 Millionen US-Dollar. Erwirtschaftet war er von 20.000 Genossenschaftsmitgliedern. Das alles geschah ohne jede staatliche Subventionen. Im Gegenteil, der Staat torpedierte das dennoch erfolgreiche Kooperationsprojekt permanent. ++ (ve/mgn/12.10.17 – 204)

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