Ottawa, 26. September 2017 (geno). Im Jahr 1959 wurden in der von Eskimos bewohnten kanadischen Arktis die ersten „modernen“ Genossenschaften gegründet. Standorte waren George River – heute Port Nouveau-Quebec – und Port Burwell an der Ungava Bay. Die Initiative zur Selbsthilfe ging nicht von den Betroffenen aus, sondern sie wurde von der Bundesregierung als Instrument zur Wirtschaftsentwicklung dieses Raum bewusst eingesetzt und gefördert. Dazu wurden umfangreiche Voruntersuchungen und Forschungen im Vorfeld ausgeführt. Die wissenschaftlichen Ergebnisse fanden in einem Bericht des in Ottawa ansässigen Departements of Indian Affairs and Northern Developement unter dem Namen „area economic suvey reports“ ihren Niederschlag. Darin wurde die Gründung von Genossenschaften explizit als geeignetes Mittel zur schnellen und effektiven Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der einheimischen Bevölkerung vorgeschlagen. Diese gelenkten Gründungen waren auch in den Folgejahren die Regel. Allerdings traten dabei staatliche Instanzen als Impulsgeber zugunsten kirchlicher Instititutionen in den Hintergrund. Spontane Zusammenschlüsse blieben bis in die jüngere Zeit Ausnahmen.
Für diese Zusammenarbeit mit Staat und Kirche gab es zwei gewichtige Gründe. Zum einen reichten die geringen Einkommen der Eskimos nicht aus, um das notwendige Betriebskapital durch Zeichnung von Anteilen zusammenzubringen. Erst später wurde durch die Installation des Eskimo Loan Fund von der Bundesregierung die Möglichkeit geschaffen, den Kapitalbedarf durch Darlehen bis zu 50.000 Dollar mit fünfprozentiger Verzinsung bei einer Laufzeit von zehn Jahren zu decken. Andererseits mangelte es den Einheimischen an Bildung, woraus sich ein weiteres Manko ergab: es fehlten Führungskräfte für die Genossenschaften. Deshalb halfen staatliche Stellen und Kirchen aus. Ein erster Höhepunkt bei der Herausbildung des arktischen Genossenschaftswesens wurde 1963 erreicht, als sich in Frobisher Bay Vertreter von 16 eingetragenen und zwei in Gründung befindliche Genossenschaften zu einer gemeinsamen Konferenz trafen.
Ende 1972 existierten in der kanadischen Arktis insgesamt 42 aktive eingetragene Genossenschaften. Davon gilt die Koomiut Genossenschaft als die weitest entwickelte. Diese Organisation in Pelly Bay, einem Ort von 215 Einwohnern in der östlichen Zentralarktis, vereinigte mit Ausnahme der Elektroenergierzeugung in ihrer Hand das gesamte Wirtschaftsgeschehen der Siedlung. Sie verfügt sogar über ein eigenes Flugzeug, mit dem wegen schwieriger Eisverhältnisse auf dem Seeweg nicht erreichbare Orte versorgt werden. ++ (kd/mgn/26.09.17 – 193)
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