Rom/Bozen, 11. August 2017 (geno). Italien ist das einzige europäische Land, in dem die Förderung von Genossenschaften Verfassungsrang genießt. Der entsprechende Artikel 45 lautet: „Die Republik anerkennt die gesellschaftliche Funktion der Genossenschaft mit Selbsthilfecharakter und ohne die Zielsetzung des privaten Gewinnstrebens. Das Gesetz fördert sie und begünstigt ihr Wachstum mit den dafür geeigneten Mitteln und garantiert ihren Charakter und ihre Zielsetzungen durch entsprechende Kontrollen“.
Im Zuge dessen wurde im Jahr 1991 das Gesetz zur Regelung von Sozialgenossenschaften erlassen. In der Folgezeit entstanden zahlreiche Kooperationen im Gesundheits- und Sozialbereich oder Produktivgenossenschaften mit beschäftigungsorientierten und ökologischen Zielsetzungen. In den ersten zehn Jahren nach In-Kraft-Treten des Gesetzes Nr. 381/91 wurden auf der Apenninenhalbinsel rund 6.000 Genossenschaften mit gemeinwohlorientierten Zielen gegründet, in denen 147.000 Personen hauptamtlich tätig waren. Im Jahr 2011 wurden in Italien 11.264 Sozialgenossenschaften registriert, die 10,1 Milliarden Euro erwirtschafteten. Auch Spanien, Frankreich und Großbritannien fördern kooperative Gründungen aus beschäftigungspolitischen Erwägungen.
In Deutschland sind solche solidarökonomischen Verbünde noch Einzelfälle. Die Politikwissenschaftlerin Susanne Elsen, außerordentliche Professorin an der Freien Universität Bozen, nennt Hintergründe: „Die Entstehungskontexte solcher Gründungen verdeutlichen, dass eine Bewertung nach einseitigen Kriterien von Wirtschaftsprüfungen – auch Genossenschaftsprüfungen – wie sie vom deutschen Verband der Genossenschaftsbanken (BVR)und dem DGRV definiert werden, der Spezifik der Wirtschaftskultur und den gesellschaftlichen Effekten nicht gerecht werden kann.“ Wesentlich besser geeignet sei die französische „unions d’economie sociale“, die seit 1984 Genossenschaftsprüfungen regelt, in der neben den wirtschaftlichen auch die Mitglieder bezogenen und gesellschaftlichen Effekte eingefordert werden. ++ (da/mgn/11.08.17 – 161)
www.genonachrichten.de, www.genossenschaftswelt.de, e-mail: 133mgn@gmail.com, Redaktion: Matthias Günkel (mgn), tel. 0176 / 26 00 60 27
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