Führerprinzip. Berlin, 1. Mai 2017 (geno). Die umfassende Untersuchung der deutschen Genossenschaftsbewegung während der Zeit des Nationalsozialismus ist bislang ein weißer Fleck. Allerdings könnte sich das bald ändern, denn es mehren sich die Stimmen für eine Geschichtsaufarbeitung in diesem Sektor.
Sie drängt sich geradezu auf angesichts der Tatsache, dass die Genossenschaftsidee seit wenigen Monaten als erstes deutsches Projekt in der UNESCO-Liste des immateriellen Weltkulturerbes registriert ist und deshalb viel stärker in den Zenit der nationalen und internationalen Aufmerksamkeit gerückt ist. Zu den wenigen, die auf das bestehende Defizit bereits seit Jahren beharrlich aufmerksam machen, gehört der Berliner Genossenschaftsexperte Wilhelm Kaltenborn. Seine gegenwärtige Kritik gilt insbesondere der im Genossenschaftsgesetz festgeschriebenen Zwangsmitgliedschaft im Prüfungswesen. Sie widerspreche dem Grundgedanken der Freiwilligkeit. Diese Zwangsmitgliedschaft in sogenannten Prüfungsverbänden war zwei Jahre nach dem Machtantritt Hitlers in Gesetzesform gegossen worden und gilt bis heute. Verharmlosend wird sie als Pflichtmitgliedschaft kosmetisch behandelt. Sie aufzuheben, fordert Kaltenborn.
Im Jahre der sogenannten Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 gab es in Deutschland sechs Dachverbände, denen sich 50.000 Genossenschaften angeschlossen hatten. Den Nazis gingen allerdings genossenschaftliche Grundprinzipien wie Selbsthilfe, die demokratisch gewählte Unternehmensleitung und die von den Mitgliedern kontrollierte Leitungstätigkeit gegen die Hutschnur. Deswegen verlangten sie von den Genossenschaften, das Führerprinzip zu etablieren. Daran kranken Deutschlands Genossenschaften bis in die Gegenwart. ++ (hi/mgn/01.05.17 – 86)
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